...für ein Dresden ohne Barrieren
...für ein Dresden ohne Barrieren

Sächsische Bauordnung (SächsBO)

Quelle: revosax, Fassung vom 01.01.2016, Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 16/2015, vom 31. Dezember 2015, Zweites Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung vom 16. Dezember 2015 (SächsBO)

 

§ 2 Begriffe
(9) Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

 

§ 3 Allgemeine Anforderungen
(3) Die von der obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten. Bei der Bekanntmachung kann hinsichtlich ihres Inhalts auf die Fundstelle verwiesen werden. Von den Technischen Baubestimmungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die allgemeinen Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt werden. § 17 Abs. 3 und § 21 bleiben unberührt.

§ 39 Aufzüge
(4) Gebäude mit einer Höhe nach § 2 Abs. 3 Satz 2 von mehr als 13 m müssen Aufzüge in ausreichender Zahl haben. Von diesen Aufzügen muss mindestens ein Aufzug Kinderwagen, Rollstühle, Krankentragen und Lasten aufnehmen können und Haltestellen in allen Geschossen haben. Dieser Aufzug muss von der öffentlichen Verkehrsfläche und von allen Wohnungen in dem Gebäude aus stufenlos erreichbar sein.

 

(5) Fahrkörbe zur Aufnahme einer Krankentrage müssen eine nutzbare Grundfläche von mindestens 1,10 m mal 2,10 m, zur Aufnahme eines Rollstuhls von mindestens 1,10 m mal 1,40 m haben. Türen müssen eine lichte Durchgangsbreite von mindestens 0,90 m haben. In einem Aufzug für Rollstühle und Krankentragen darf der für Rollstühle nicht erforderliche Teil der Fahrkorbgrundfläche durch eine verschließbare Tür abgesperrt werden. Vor den Aufzügen muss eine ausreichende Bewegungsfläche vorhanden sein.

 

§ 50 Barrierefreies Bauen
(1) In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein; diese Verpflichtung kann auch durch barrierefrei erreichbare Wohnungen in mehreren Geschossen erfüllt werden. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische barrierefrei sein. § 39 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein. Dies gilt insbesondere für

1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens;

2. Sport- und Freizeitstätten;

3. Einrichtungen des Gesundheitswesens;

4. Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude;

5. Verkaufsstätten, Gast- und Beherbergungsstätten sowie

6. Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen.

Für die der zweckentsprechenden Nutzung dienenden Räume und Anlagen genügt es, wenn sie in dem erforderlichen Umfang barrierefrei sind. Toilettenräume und notwendige Stellplätze für Besucher und Benutzer müssen in der erforderlichen Anzahl barrierefrei sein.

 

(3) Abweichungen von den Absätzen 1 und 2 können nach § 67 nur dann zugelassen werden, soweit die Anforderungen wegen schwieriger Geländeverhältnisse, wegen des Einbaus eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs, wegen ungünstiger vorhandener Bebauung oder im Hinblick auf die Sicherheit der Menschen mit Behinderungen oder alten Menschen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.

Der § 50 im bauaufsichtlichen Verfahren
In der Baubeschreibung zum Baugenehmigungsverfahren müssen seit 01.02.2013 Angaben zur Barrierefreiheit angegeben werden. Damit erhält der § 50 eine höhere Aufmerksamkeit. Architekten sowie Bauherren werden damit in die Pflicht genommen Barrierefreiheit von Anfang an zu beachten.
Eingeführt wurde dies mit der Bekanntmachung im Sächsischen Amtsblatt Nr. 49/2012 vom 6. Dezember 2012 auf Seite 1411 ff. - Anlage 9 Punkt 9. Erweitert wurde die Abfrage zur Barrierefreiheit mit der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Verwendung von Vordrucken im bauaufsichtlichen Verfahren vom 29. April 2016. Veröffentlicht im Sächsischen Amtsblatt, Sonderdruck Nr. 6 vom 27. Mai 2016.

 

Persönliche Bemerkungen zur Gesetzesänderung vom 16.12.2015
Im Zweiten Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung vom 16. Dezember 2015 sind für Menschen mit Behinderungen die neu im § 2 Absatz 9 aufgenommene Definition der Barrierefreiheit und die Ergänzungen im § 50 richtungsweisend.

Mit der Definition der Barrierefreiheit wird erstmalig in der sächsischen Baugesetzgebung klargestellt, dass es nicht nur um den Zugang zu baulichen Anlagen, sondern auch um die entsprechende Nutzung geht. Das heißt, dass Gebäude sowie dessen Räumlichkeiten so angelegt sind, dass sie von jedem Menschen unabhängig von einer eventuell vorhandenen Behinderung benutzt werden können und sie grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar und zugänglich sind. Barrierefreiheit muss selbstverständlich werden!

 

Die Ergänzungen bzw. Änderungen im § 50 Barrierefreiheit können bei konsequenter Einhaltung einige Verbesserungen für die selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung von Menschen mit Behinderungen bringen.

Die Festlegungen zu den barrierefreien Wohnungen im Absatz 1 wurden durch die mögliche Anordnung barrierefreier Wohnungen in mehreren Geschossen erweitert. Dies soll mehr Flexibilität in der Praxis bringen. Im Satz 2 des Absatzes 1 wurden die Worte „mit dem Rollstuhl zugänglich“ durch den Begriff „barrierefrei“ ersetzt. Damit wird klargestellt, dass es nicht nur um die Zugänglichkeit der Wohnung, sondern auch um deren Nutzung geht.


Ein Manko für mich ist, dass in Sachsen mit der Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB) die Wohnungen für Rollstuhlfahrer (DIN 18040-2 Anforderungen mit der Kennzeichnung „R“) ausgenommen wurden. Gerade Rollstuhlfahrer haben kaum eine Chance auf den Wohnungsmarkt eine geeignete Wohnung zu finden.

 

Der Absatz 2 Satz 1 wurde gestrafft, da sich die Definition des Begriffs „barrierefrei“ nun im § 2 Absatz 9 befindet. Der Begriff „Besucherverkehr“ wurde erweitert auf „Besucher- und Benutzerverkehr“.

 

Im Satz 2 Nr. 5 werden die Beherbergungsstätten ergänzt. Dies war für mich überfällig, da gerade die Hotels oft behaupteten, sie wären gesetzlich gar nicht verpflichtet barrierefrei zu bauen und bräuchten sich dementsprechend nicht ausstatten.

 

Mit dem neuen Satz 3 im Absatz 2 bin ich nicht glücklich. Er soll regeln, dass die Anforderungen an die Barrierefreiheit auf den für die zweckentsprechende Nutzung tatsächlich erforderlichen Umfang beschränkt sein darf. Dies könnte z.B. in Betracht kommen, wenn mehrere gleichartige Räume oder Anlagen, wie Gastplätze in Gaststätten oder Besucherplätze in Versammlungsstätten zur Verfügung stehen. So ist die Argumentation in der Begründung zur Änderung der Bauordnung. Aber wer legt den erforderlichen Umfang fest? Wie sieht es bei einer Gaststätte aus, die nur über Podeste verfügt bzw. Hochtische hat? Genügt es hier einen barrierefreien Tisch am Eingang zu platzieren? Schränkt es nicht sogar die freie Platzwahl im Theater oder in Konzerthallen ein? Vielleicht könnte hier die Verwaltungsvorschrift zur Bauordnung, die noch angepasst werden muss, Klarheit schaffen!

 

Der neue Satz 4 im Absatz 2 stellt fest, dass die Anzahl der barrierefreien Toilettenräume und der notwendigen Stellplätze für Besucher und Benutzer bauaufsichtlich geregelt ist. Die Anzahl der barrierefreien Toilettenräume und notwendigen Stellplätze wurde in den eingeführten Technischen Baubestimmungen festgelegt (siehe insbesondere Anlage 7.3/1 zu DIN 18040-1 - Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Liste der eingeführten Technischen Baubestimmungen). Darin heißt es sinngemäß: mindestens ein barrierefreier Toilettenraum und 1 %, mindestens jedoch einer der notwendigen Stellplätze muss vorhanden sein. Bei Versammlungsstätten wird die Anzahl der barrierefreien Toilettenräume gesondert geregelt.

 

Absatz 3 in der vorherigen Fassung wurde gestrichen, da sich die konkreten Anforderungen unmittelbar aus der DIN 18040-1 und DIN 18040-2 ergeben.

 

Die Ausnahmetatbestände im bisherigen Absatz 4 waren stets Grund zur Kritik. Die Entscheidung, ob die gesetzlichen Forderungen des barrierefreien Bauens tatsächlich gelten oder ausnahmsweise nicht erfüllt zu werden brauchen, wurde seit 2004 in die private Verantwortung des Bauherrn gegeben. Dies hat sich nicht bewährt! Es musste festgestellt werden, dass Bauherren oft versuchten die Anforderung der Barrierefreiheit mit der Begründung der Ausnahme zu umgehen.

Änderungen im Nachhinein durchzusetzen waren meistens erfolglos. Deshalb ist im jetzigen Absatz 3 eine behördliche Abweichungsentscheidung vorgeschrieben. Die Bauaufsichtsbehörde (§ 67) muss prüfen und entscheiden, wann von den Anforderungen des § 50 abgewichen werden kann. Die Zukunft muss nun zeigen, wie mit den Ausnahmetatbeständen umgegangen wird und ob diese wirklich nur noch die Ausnahme sind.

Druckversion | Sitemap
© kontakt@rollpfad.de